Gruppenarbeit vs Einzelarbeit
Dass Gruppenarbeit oder Einzelarbeit nicht nur während der Studienzeit und somit innerhalb eines Lernprozesses von größter Wichtigkeit sind, zeigt sich auch im späteren Berufsleben. Die Erarbeitung und vor allem die Vorbereitung der Gruppentreffen werden in Einzelarbeit durchgeführt. Im Berufsalltag ist nicht mehr die Vorbereitung auf ein gemeinsames Treffen zum Lernen nötig, sondern eher die Planung von Konferenzen, Meetings und ähnlichen Treffen, in welchen sich Mitarbeiter austauschen.
Ob Einzel- oder Gruppenarbeit an der Uni empfohlen wird unterliegt pädagogischen Moden. In Zeiten, in denen die Kommunikationslosigkeit des Hochschulalltags hervorgehoben wird, empfiehlt man Gruppenarbeit, zu Zeiten, in denen Leistung und intellektuelle Konkurrenz hoch im Kurs stehen, wird die Unerläßlichkeit und Effektivität der einsamen Schreibtischarbeit hervorgehoben. Nüchtern als Arbeitsformen betrachtet, leisten sie einfach Unterschiedliches (Hitchhiker o.J.):
Einzelarbeit ist unumgänglich, wenn individuelles Begreifen von Texten, das Herstellen von Exzerpten, oder das Lernen von Formeln und Vokabeln ansteht. Auch das "Austüfteln" neuer Lösungsansätze und das Verfassen von Texten, gelingen am besten am eigenen Schreibtisch - nur hervorragend kooperierende kleine Teams von 2 bis 3 Personen sind meist kreativer. Einzelarbeit bedeutet ja nicht, daß man ganze Tage einsam am Schreibtisch verbringen muß, sondern es geht jeweils nur um die einzelne Tätigkeit. Pausen können mit anderen verbracht werden. Häufig ist auch der lose soziale Zusammenhang einer "Bibliotheksecke" produktiv: Zwar arbeitet jeder für sich, aber man kennt sich, kann sich mit praktischen Dingen aushelfen, und manchmal auch fachliche Fragen stellen bzw. beantworten. Konkret gewendet: Ob Einzelarbeit notwendig ist, entscheidet sich nach der Art der Aufgabe. Wichtig ist sie dann, wenn du dich in Ruhe auf einen Text, eine Aufgabe, ein Themengebiet konzentrieren und dabei ganz dem eigenen Denkrhythmus und Arbeitstempo folgen willst. Der soziale Kontext, in dem solche Einzelarbeit erfolgt, muß zusätzlich entschieden und hergestellt werden: Kannst man sich besser konzentrieren, wenn man ganz alleine ist, dann sollte man allein an seinem Schreibtisch zuhause arbeiten. Hilft dagegen die sozial wahrnehmbare Arbeitsdisziplin der anderen, dann sollte man Anschluß an eine entsprechende Lerngruppe herzustellen, am besten mit KollegInnen aus dem eigenen Studiengang, mit denen man auch andere Arbeiten gemeinsam erledigen kann, z. B. das Prüfen von bereits Gelernten oder das Diskutieren einer eigenen Idee.
Immer dann, wenn es um Vielfalt und Erweiterung geht, empfiehlt sich die Arbeit in der Gruppe. Auch bei Themen, die nur bearbeitbar sind, wenn viel Material (z.B. umfangreiche Literaturlisten) berücksichtigt wird, ist eine Arbeitsgruppe meist effektiver: Man kann das Material arbeitsteilig zusammentragen und dann gemeinsam auswerten und verarbeiten, das spart Zeit und ist anregend.
Gruppenarbeit bietet gegenüber dem Selbststudium jede Menge Vorteile. Die Gruppendynamik steigert in den meisten Fällen die persönliche Lernmotivation und hilft über Motivationstiefs hinweg. Man erkennt rechtzeitig Lücken und Schwachstellen und beschäftigt sich durch Diskussion unterschiedlicher Problemlösungsansätze meist eingehender mit der Materie als im Rahmen des Selbststudiums. Zusätzlich werden durch Diskussion und Interaktion sowohl das Verständnis als auch das Erinnern des Lernstoffs gefördert. Allerdings: Es gibt auch den Ringelmann-Effekt! Ein paar Tipps zum Zuhören und Verstehen.
Wichtige Merkmale von Gruppen
Gruppengröße und –mitglieder: Achten Sie darauf, dass Ihre Lerngruppe maximal 4 bis 5 Personen umfasst. Kleine Gruppen erleichtern nicht nur die Organisation der Zusammentreffen (Terminfindung usw.), sondern ermöglichen auch den regen Austausch aller Gruppenmitglieder untereinander. Weiters sollten Sie bei der Gruppenbildung berücksichtigen, dass alle Mitglieder dasselbe Ziel verfolgen und auf einem vergleichbaren Wissensstand stehen. Nur so kann jede/r einzelne von der gemeinsamen Arbeit profitieren. Stellen Sie weiters sicher, dass von allen Beteiligten die Bereitschaft gegeben ist, Informationen auszutauschen, einander zu unterstützen und sich konstruktiv in die Gruppe einzubringen.
Gruppentreffen: Versuchen Sie, die Gruppentreffen möglichst regelmäßig am selben Ort und zur selben Zeit stattfinden zu lassen und achten Sie auf diesbezügliche Disziplin aller Gruppenmitglieder. Bestimmen Sie am Ende jedes Treffens die Themen der kommenden Runde und bereiten Sie diese im Selbststudium zuhause vor. In der Gruppe können Sie dann offene Fragen lösen, sich gegenseitig Prüfungsfragen stellen und verschiedene Lösungsmöglichkeiten erarbeiten. Im Selbststudium sollten Sie die Ergebnisse nachbearbeiten und überprüfen, ob noch Fragen offen geblieben sind.
Praktische Ratschläge für Gruppen
Rosenstiel (1993, S.317f) hat auf Grund der Erkenntnisse über Gruppenleistung praktische Ratschläge für effiziente Gruppenarbeit erstellt:
- Die Gruppe sollte klein sein und etwa fünf Mitglieder umfassen. Bei grösseren Gruppen besteht die Gefahr, dass einschlägige Beiträge von Mitgliedern nicht mehr eingebracht werden, dass der relative Zugewinn von Informationen für die Aufgabenbearbeitung zurückgeht und dass Reibungsverluste in der Gruppe zunehmen.
- Die unterschiedlichen Aspekte der Aufgabe sollten durch jeweils dafür kompetente Mitglieder vertreten sein, die zudem alle am Gesamtproblem interessiert sind.
- Die Gruppenmitglieder sollten durch strukturale und personale Bedingungen bereit und befähigt sein, sich miteinander in der gleichen Sprache zu verständigen.
- Die interpersonalen Beziehungen sollten frei von Belastungen sein. Widerspruch in der Sache darf nicht als Ausdruck persönlicher Abneigung eingesetzt werden.
- Das Team hält sich an Arbeitsregeln, zum Beispiel an Vorbereitungs-, Moderations-, Diskussions- und Dokumentationstechniken: Beispielsweise bereiten einzelne Mitglieder Beiträge für eine Teamsitzung vor. Ein Teammitglied moderiert die Sitzung und leitet die Diskussion, ein weiteres führt Protokoll, das Verlauf, Ergebnisse und ggf. getroffene Entscheidungen dokumentiert.
Wie packt man Gruppenarbeit an?
Wie packt man es nun aber in der Gruppe an, um Probleme zu vermeiden? Verschiedene Techniken bieten sich an:
- 3 - 5 Personen sind die richtige Größe für eine kooperative Gruppe. Die Unterschiede zwischen den einzelnen sollten in bezug auf das Lernniveau nicht zu groß sein, die jeweiligen Spezialgebiete dagegen dürfen sehr wohl verschieden sein.
- Arbeitsgruppen brauchen einen festen Rahmen: Zeit, Ort, festgelegte Aufgabe. Wichtig ist, daß alles verbindlich abgesprochen wird, die Aufgaben eindeutig an die Mitarbeitenden verteilt werden und sich diese im wesentlichen auch daran halten.
- Aufgaben löst jeder für sich, ganz oder teilweise; danach werden sie in der Gruppe diskutiert. Nachteil: man löst viele Aufgaben nicht selber, sondern vollzieht sie nur nach.
- Die Gruppe löst die Aufgaben gemeinsam. Dadurch bekommt zwar jeder einen guten Eindruck vom Lösungsweg, aber man muß aufpassen, daß die Schwächeren in der Gruppe nicht ins Hintertreffen geraten.
- Schließlich kann man noch mit einer kombinierten Variante arbeiten. Teilweise werden die Lösungen vorbereitet, teilweise erst beim Treffen der Gruppe erarbeitet.
Kerres (2001, S. 267) nennt vor allem für heute häufig eingesetzte virtuelle Arbeitsgruppen einige Bedingungen, damit Zusammenarbeit funktioniert. Diese Hinweise gelten jedoch nicht nur für diese, sondern sollten auch bei studentischen Arbeitsgruppen berücksichtigt werden, bei denen erfahrungsgemäß ein gewisser Anteil virtuell abgewickelt wird: "Das Stadium der Kollaboration, der gemeinsamen Bearbeitung von Lernaufgaben im Netz, kommt jedoch m. E. nur unter bestimmten Bedingungen zustande: z.B.
- wenn ein externer Druck existiert (z.B.: Der Arbeitgeber möchte, dass dieses Projekt über das Netz abgewickelt wird.)
- wenn bereits eine persönliche Beziehung zu einzelnen oder mehreren der entfernten Partner besteht
- wenn die Rahmenbedingungen gegeben sind, dass sich eine soziale Gruppe bilden kann (Größe, Homogenität etc.)
- wenn die beteiligten Personen davon überzeugt sind, dass sich unter den gegebenen Bedingungen (Zeit, Betreuung etc.) so etwas wie eine soziale Gruppe bilden wird
- wenn in ähnlichen Lernkontexten gute Erfahrungen mit kommunikativen Szenarien gemacht wurden
- wenn die betreuende Institution genügend überzeugend auftritt (und die Teilnehmer von dem Szenario begeistert werden können)
- wenn der Kontext des Bildungsanbieters für die Teilnehmer ohnehin attraktiv ist, d.h. die Bindung des Einzelnen geschieht über die Identifikation mit der Einrichtung, (z. B. durch frühere positive Erfahrungen) oder
- wenn die Zusammenarbeit gegenüber der Einzelarbeit einen deutlichen Mehrwert erkennen lässt (z. B. weil erfahrene oder bekannte Kollegen mitwirken)."
Motivation in Gruppen
Torka, Mazei & Hüffmeier (2021) Haben in einer Metastudie Daten von mehr als 300.000 ProbandInnen untersucht, ob sich Menschen in Teamarbeit mehr motiviert fühlen als wenn sie alleine arbeiten. Bekanntlich besteht die Hypothese, dass Menschen in Teamarbeit weniger motiviert an ihre Aufgaben herangehen, als wenn sie allein tätig sind. Teamarbeit st nicht per se demotivierend oder motivierend, sondern die konkrete Gestaltung von Teamarbeit ist dafür entscheidend, ob Motivationsgewinne, also mehr Anstrengung, oder Motivationsverluste, also weniger Anstrengung, auftreten. Teamarbeit ist etwa motivierend, wenn Mitglieder einen unverzichtbaren Beitrag leisten oder wenn sie sich mit einem moderat stärkeren Teammitglied vergleichen können. Um einen positiven Effekt zu erzielen, reicht es hingegen nicht aus, dass sich die individuellen Beiträge zur Teamarbeit bewerten lassen. Als Randbedingungen fand man sowohl Faktoren, die das Ergebnis je nach Ausprägung positiv oder negativ beeinflussen können, als auch Faktoren, die nur in eine Richtung wirken. Waren beispielsweise die individuellen Beiträge unverzichtbar, so zeigten sich Motivationsgewinne, doch waren sie verzichtbar, traten Motivationsverluste auf. Diese beiden Befunde sind also zwei Seiten derselben Medaille. Bei anderen Randbedingungen gab es hingegen keinen Umkehreffekt, denn soziale Unterstützung wirkt ausschließlich positiv, während individuelle Bewertbarkeit negative Folgen hat, sofern diese fehlt. Man fand auch Unterschiede zwischen objektiv und subjektiv gemessener Motivation, denn Menschen berichten meist gerne davon, wenn sie sich im Team tatsächlich mehr angestrengt haben, während es verschwiegen wird, wenn man sich im Team aber weniger angestrengt hat. Motivationsverluste bei der Teamarbeit scheinen außerdem in Laborstudien größer zu sein als in Feldstudien, was darauf hinweist, dass die Relevanz von Motivationsverlusten für die Praxis überschätzt wird.
Inhaltsverzeichnis dieses Lerntipps
Kommunizieren | Phasen des Gruppenprozesses |
Virtuelle Gruppen Aufgabenstellungen für virtuelle Gruppen Typologie der Gruppenmitglieder |
Überblick über die Lerntipps
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